Immobilien vererben ohne Streitigkeiten
Wohneigentum im Nachlass ist oft Anlass für Konflikte unter den Erbenden. Doch mit weitsichtiger Planung und offener Gesprächskultur lässt sich Streit vermeiden. Es gilt allerdings viele Aspekte mit einzubeziehen – von früheren Schenkungen und Erbvorbezügen bis zu bereits eingeräumten Wohn- und Nutzniessungsrechten.

Ein Haus oder eine Eigentumswohnung sind in vielen Familien der einzige bedeutende Vermögenswert im Nachlass. Doch wer soll ihn dereinst bekommen? Und vor allem, wie lassen sich Konflikte unter den Nachkommen und unerwünschte Konsequenzen für die Erbenden vermeiden? Bei der Nachlassplanung mit Liegenschaften lauern einige Stolperfallen.
Viele Elternpaare möchten sich gegenseitig schützen und sicherstellen, dass der überlebende Ehepartner oder die überlebende Ehepartnerin bis ans Lebensende im gemeinsamen Heim verbleiben darf. Doch die Erbansprüche der Kinder stehen dem oft entgegen. Verlangen sie ihre Pflichtteile (siehe Box), so müssen sie ausbezahlt werden. Reicht das übrige Erbe dazu nicht aus, muss die Liegenschaft in aller Regel stärker mit Hypotheken belastet werden. Falls das nicht möglich ist, droht der Verkauf.
Ehevertrag bringt Sicherheit, im Pflegefall aber finanzielle Nachteile
Doch das lässt sich vermeiden: Das Ehepaar kann einen notariell beglaubigten Ehe- und Erbvertrag abschliessen und darin festlegen, dass die Liegenschaft bis zu dessen Ableben auf die oder den Überlebende:n übergeht und erst anschliessend auf die Kinder. Voraussetzung ist, dass die Immobilie aus gemeinsamer Errungenschaft finanziert wurde und es sich um gemeinsame Kinder handelt.
Einen Haken hat dieses Vorgehen allerdings: Sollte der oder die überlebende Ehepartner:in zum Pflegefall werden, so verliert er oder sie wegen des höheren Vermögens, das im zusätzlich geerbten Wohneigentums steckt, möglichweise die Ansprüche auf Ergänzungsleistungen. Schlimmstenfalls ist das Haus weg, bevor die Kinder mit Erben an der Reihe sind.
Oft helfen ein Nutzniessungs- oder Wohnrecht
Ein Ausweg kann auch ein Nutzniessungs- oder Wohnrecht sein. Welches Vorgehen das Richtige ist, muss sich im Einzelfall klären. Wichtig ist jedoch, dass sämtliche Erb:innen frühzeitig in die Diskussion einbezogen werden. Denn nur so lassen sich Missverständnisse und unnötige Konflikte vermeiden.
Um Streit unter den Erbenden zu verhindern, wollen viele Elternpaare ihr Wohneigentum schon zu Lebzeiten weitergeben. Häufiger Anlass ist der Wechsel vom grossen Familienhaus in eine altersgerechte Wohnung. Ist nur ein Kind an der Übernahme des Elternhauses interessiert, ist der Fall klar: Die anderen Kinder erhalten beim Ableben ihren Erbanteil. Das Haus wird in diesem Fall zum Verkehrswert am Todestag des Erblassers bzw. der Erblasserin an den Erbteil des Kindes angerechnet, und dieses muss den Vorempfang gegenüber seinen Geschwistern ausgleichen.
Ein Erbvorbezug muss normalerweise ausgeglichen werden
Reicht das Nachlassvermögen nicht aus, um die Ansprüche der übrigen Nachkommen zu befriedigen, muss das Geschwister, das die Liegenschaft als Erbvorbezug erhielt, den übrigen Geschwistern eine Ausgleichszahlung leisten oder die Liegenschaft in den Nachlass einbringen. Hat das Haus beispielsweise einen Wert von 2 Millionen Franken und sind zwei Geschwister vorhanden, so erhält das zweite Kind vom ersten eine Million als Ausgleichszahlung, wenn keine weiteren Vermögenswerte vorhanden sind. Für die Höhe der Ausgleichszahlung ist in einem solchen Fall der Verkehrswert am Todestag massgeblich. Unerheblich ist dagegen wie viel das Haus bei der einstigen Schenkung oder beim Vorbezug des Erbes wert war. Alternativ können die Eltern im Testament aber auch einen bestimmten Ausgleichungswert festlegen.
Latente Grundstückgewinnsteuer sollte mitberücksichtigt werden
Auf der Liegenschaft lasten sogenannt latente Steuern: Wird sie verkauft, so fallen Grundstückgewinnsteuern an. In der Schenkungsurkunde oder im Testament kann darum verfügt werden, dass diese latente Steuer in die Berechnung des Ausgleichs einfliessen soll. Eine gesetzliche Pflicht dazu besteht jedoch nicht. Viele Expertinnen und Experten sind allerdings der Ansicht, dass latente Steuern bei der Bewertung einer Liegenschaft aus Gründen der Fairness miteinzubeziehen sind. Da niemand weiss, ob die Grundstückgewinnsteuer in Zukunft wirklich anfällt und gegebenenfalls in welcher Höhe, empfehlen viele Anwältinnen und Notare einen Mittelweg: Berechnet wird die Grundstückgewinnsteuer, die bei einem Verkauf heute anfallen würde. Davon fliesst dann der halbe Betrag in die Berechnung des Liegenschaftswerts.
Fair ist oft nur vermeintlich fair
Um möglichst fair zu sein und künftige Konflikte möglichst zu vermeiden, realisieren begüterte Eltern den «Ausgleich» an die übrigen Geschwister oft auch gleich mit der Schenkung: Die Tochter erhält beispielsweise die Liegenschaft im Wert von einer Million Franken, der Sohn eine Million in bar. Das ist grosszügig, hat aber gleich mehrere Haken: Ist die Liegenschaft beim Ableben der Eltern beispielsweise 2 Millionen Franken wert, so besteht Ausgleichspflicht. Der Sohn erhält von seiner Schwester also CHF 500’000.–. Und dies selbst dann, wenn der Sohn seine Million am Aktienmarkt längst selbst verdoppelt hat oder gleichentags selbst noch eine Liegenschaft im damaligen Wert von einer Million Franken gekauft hat.
Umgekehrt ist der Sohn ausgleichspflichtig, falls die Liegenschaft bis zum Ableben des Erblassers an Wert verloren haben sollte. Erzielte Kapitalgewinne und Vermögenserträge werden dabei nicht mitgerechnet. In solchen Fällen empfiehlt es sich, in der Schenkungsvereinbarung ausdrücklich festzuhalten, dass keine Ausgleichspflicht besteht.
Eine Schenkung verhindert im Pflegefall eventuell den Anspruch auf Ergänzungsleistungen
Aber auch aus Sicht der Eltern kann dieses Vorgehen problematisch sein: Haben sie mehr oder weniger alle bedeutenden Vermögenswerte verschenkt, so könnten sie beispielsweise im Pflegefall in Not geraten. Den Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben sie in diesem Fall eventuell verwirkt. Denn das verschenkte Vermögen wird ihnen weiterhin angerechnet.
Lediglich CHF 10’000.– pro Jahr sind frei. Ein verschenktes Haus im Wert von 2 Millionen Franken lastet darum nach 20 Jahren immer noch mit 1,8 Millionen Franken auf der Rechnung und verhindert den Bezug von Ergänzungsleistungen. Die Eltern könnten also nur hoffen, dass ihre Kinder nun ebenso grosszügig mit ihnen sind, wie sie es zuvor waren.
Darlehen sind eine Alternative zur Schenkung, haben aber ebenfalls ihre Tücken
Als Alternative bietet sich daher oft die Vermietung der Liegenschaft zum Vorzugspreis an, oder ein Darlehen mit bescheidenem oder gar ohne Zins. Doch auch hier gilt es, Vorsicht walten zu lassen: Der Mietzins muss mindestens 51% der Marktmiete betragen, sonst wird steuerlich der gesamte Eigenmietwert fällig. Und Darlehen führen im Erbfall oft zu Streitereien. Zinslose Darlehen verjähren bereits nach 10 Jahren und 6 Wochen, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Zudem erfolgen Rückzahlungen im familiären Kreis oft in bar, was im Konfliktfall schwer zu beweisen ist.
Darlehensverträge sollten darum schriftlich vereinbart werden. Die Aus- und Rückzahlungen sollten gut dokumentiert sein, am besten mittels Bankbelegen und Quittungen. Dies sollte in absoluter Transparenz passieren. Familienanwältinnen und Notare wissen: Wenn alle Beteiligten über alles Bescheid wissen und im besten Fall auch mit allem einverstanden sind, besteht die geringste Gefahr, dass es später zu einem Konflikt kommt.
Stiefkinder unterliegen in den meisten Kantonen der Erbschaftssteuer
Sind Stiefkinder vorhanden, so stellen sich bei Schenkungen oder im Erbfall spezielle Fragen. Denn Stiefkinder unterliegen in den meisten Kantonen der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Der Steuersatz beträgt in diesem Fall oft 10% und mehr. Die Besteuerung lässt sich vermeiden, indem man zuerst – steuerfrei - seinen neuen Ehepartner bzw. seine neue Ehepartnerin beschenkt.
Diese Person hat darauf die Möglichkeit, die Schenkung oder das Erbe – ebenfalls steuerfrei – an die Kinder aus erster Beziehung weiterzugeben. Pflichtteile der eigenen, leiblichen Kinder dürfen dabei aber nicht verletzt werden. Pflegekinder sind in vielen Kantonen Stiefkindern gleichgestellt, doch oft nur, wenn das Pflegeverhältnis mindestens zwei Jahre gedauert hat.
Komplexe Aufgabe: Vererben an Partner:in im Konkubinat
Noch etwas anspruchsvoller als unter Ehepartner:innen ist es, wenn Sie Ihre Liegenschaft unverheiratet an Ihre:n Partner:in vererben möchten. Wichtigste Grundregel dabei: Der Partner oder die Partnerin erhält nichts, ohne dass ein Testament (vollumfänglich handgeschrieben, unterschrieben und mit Ort und Datum versehen), ein notariell errichtetes und von zwei Personen bezeugtes Testament oder ein notariell beglaubigter Erbvertrag vorliegt.
In vielen Fällen kann es auch in diesem Fall sinnvoll sein, seinem Lebenspartner oder seiner Lebenspartnerin ein Wohn- oder Nutzniessungsrecht einzuräumen. Auch eine Schenkung zu Lebzeiten kann eine Alternative sein. Die steuerlichen Folgen können allerdings beachtlich sein, denn Konkubinatspartner:innen profitieren im Erbfall nur in wenigen Kantonen von einer Steuerfreiheit.
Der Beizug einer Spezialistin oder eines Spezialisten lohnt sich
Wenn Immobilien vorhanden sind, erweisen sich Erbschaftsfragen oft als anspruchsvoll und komplex. Es lohnt sich, sich frühzeitig von einer Expertin oder einem Experten beraten zu lassen.
Die Pflichtteile der gesetzlichen Erben sind heute geringer
Auf Jahresbeginn 2023 sind die Pflichtteile für Ehepartner und Kinder gesunken, für Eltern sind sie weggefallen. Der gesetzliche Erbteil blieb unverändert. Er gilt, wenn kein Testament vorliegt. Die Regelung im Einzelnen:
Ehepaar mit Kindern:
- Pflichtteile bisher: 1/4 für Ehepartner:in, 3/8 für Kinder, 3/8 frei verfügbar
- Pflichtteile neu: 1/4 für Ehepartner:in, 1/4 für Kinder, 1/2 frei verfügbar
- Gesetzlicher Erbteil: 1/2 für Ehepartner:in, 1/2 für Kinder
Ehepaar ohne Kinder:
- Pflichtteile bisher: 3/8 für Ehepartner:in, 1/8 für Eltern, 1/2 frei verfügbar
- Pflichtteile neu: 3/8 für Ehepartner:in, 5/8 frei verfügbar
- Gesetzlicher Erbteil: 3/4 für Ehepartner:in, 1/4 frei verfügbar
Konkubinatspaar mit Kindern:
- Pflichtteile bisher: 3/4 für Kinder, 1/4 frei verfügbar
- Pflichtteile neu: 1/2 für Kinder, 1/2 frei verfügbar
- Gesetzlicher Erbteil: 1/1 für Kinder
Konkubinatspaar ohne Kinder:
- Pflichtteile bisher: 1/2 für Eltern, 1/2 frei verfügbar
- Pflichtteile neu: 1/1 frei verfügbar
- Gesetzlicher Erbteil: 1/1 für Eltern
Pflichtteil bisher | Pflichtteil ab 2023 | Gesetzliche Erbteile (unverändert) | |
Ehepaar/eingetragene Partnerschaft mit Kindern | |||
Für Ehepartner | 25% | 25% | 50% |
Für Kinder | 37,5% | 25% | 50% |
Frei verfügbar | 37,5% | 50% | – |
Konkubinatspaar mit Kindern | |||
Für Kinder | 75% | 50% | 100% |
Frei verfügbar | 25% | 50% | – |
Ehepaar/eingetragene Partnerschaft ohne Kinder | |||
Für Ehepartner | 37,5% | 37,5% | 75% |
Für Eltern | 12,5% | – | 25% |
Frei verfügbar | 50% | 62,5% | – |
Konkubinatspaar ohne Kinder | |||
Für Eltern | 50% | – | 100% |
Frei verfügbar | 50% | 100% | – |
FAQ
Zu welchem Wert muss eine Liegenschaft ausgeglichen werden?
Eine Liegenschaft wird auf den Todestag des Erblassers bzw. der Erblasserin bewertet (Verkehrswert). Soweit nichts anderes festgelegt wurde, gilt dies auch, wenn die Immobilie bereits früher durch Schenkung oder Erbvorbezug an einen der Erb:innen ging. Sie muss also zum aktuellen Wert unter den Erb:innen ausgeglichen werden. Es steht dem Erblasser oder der Erblasserin allerdings frei, bereits im Schenkungsvertrag oder in einem Testament festzuhalten, zu welchem Wert die Liegenschaft ausgeglichen werden muss. Werden keine Pflichtteile verletzt, kann der Erblasser bzw. die Erblasserin auch verfügen, dass keinerlei Ausgleich erfolgen muss.
Was passiert, wenn für den Ausgleich zu wenig freies Kapital zur Verfügung steht?
Genügt das übrige Erbe nicht, um die Ansprüche der Miterb:innen zu befriedigen, muss die Liegenschaft verkauft werden. Ging die Liegenschaft bereits früher via Schenkung oder Erbvorbezug an einen oder eine der Erb:innen, so kann möglicherweise die Hypothek aufgestockt werden, um die Ausgleichspflicht gegenüber den übrigen Erb:innen zu erfüllen.
Braucht es ein Testament oder einen Ehevertrag?
Ein Testament oder ein Erbvertrag ist nicht erforderlich, auch dann nicht, wenn in der Erbmasse eine oder gar mehrere Liegenschaften enthalten sind. Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge. Soll die Liegenschaft aber einer einzelnen Erbin oder einem einzelnen Erben zukommen, so braucht es ein Testament oder einen Erbvertrag. Ebenfalls zwingend ist ein Testament, wenn die Liegenschaft an eine Person gehen soll, die keinen gesetzlichen Erbanspruch hat (Lebenspartner:in, Drittperson, gemeinnützige Stiftung usw.).
Sind Schenkung sowie Wohn- oder Nutzniessungsrecht sinnvolle Alternativen?
Wer seine Ehepartnerin oder seinen Lebenspartner im Hinblick auf sein Ableben speziell schützen möchte, kann ihm oder ihr seine Liegenschaft schon zu Lebzeiten in Form einer Schenkung oder eines Erbvorbezugs übertragen. Alternativ kann man seinem Partner oder seiner Partnerin auch ein Wohn- oder Nutzniessungsrecht einräumen. Damit ist sichergestellt, dass der oder die überlebende Partner:in in der gemeinsamen Wohnung bleiben kann. Im Falle der Nutzniessung hat er oder sie auch das Recht, die Wohnung oder das Haus zu vermieten. Ein Wohn- und Nutzniessungsrecht kann lebenslang oder befristet gewährt werden oder auch nur unter gewissen Bedingungen gültig sein. So kann es beispielsweise bei definitiver Trennung oder Scheidung seine Gültigkeit verlieren.
Welche Pflichtteile müssen beachtet werden?
Auf Jahresbeginn 2023 wurden die Pflichtteile der gesetzlichen Erb:innen reduziert. Neu haben die Eltern keinen Anspruch auf einen Pflichtteil mehr. Der Pflichtteil der Kinder wurde auf 1/4 (Ehepaar) beziehungsweise 1/2 (Konkubinatspaar) verringert. Entsprechend grösser sind neu die frei verfügbaren Quoten.